Ist das etwa Unkraut oder kann das weg?

Am Weltbienentag 20. Mai zu Bienen und Blühstreifen.

Unsere Natur verändert sich. Fast täglich erreichen uns Berichte über Artenverlust unserer Lebensräume. Insbesondere landwirtschaftlich geprägte Regionen sind betroffen (siehe hierzu auch den Bericht zur Lage der Natur 2020). Das Bewußtsein, etwas gegen den Artenschwund unternehmen zu müssen, scheint auch in Rommerskirchen geweckt.

Honigbiene auf Bienenweise

Eine Honigbiene auf der Bienenweide (Phacelia)

Bereits im April informierte Martin Mertens in einem Schreiben an die Fraktionsvorsitzenden im Rat, dass im Gemeindegebiet die ersten geschotterten Flächen bereits zurück gebaut wurden. Es handele sich dabei um den Bereich der Parkplätze am Hallenbad und Friedhof Nettesheim. Weitere Schotterflächen auf kommunalem Gebiet sollen folgen und befinden sich derzeit in der Prüfung. Die Aufwertung von jetzigen Schotterflächen wird mit der Biologischen Station Neuss abgesprochen. Da die beste Zeit zur Umgestaltung der Beete der Herbst ist, werden diese Maßnahmen in Absprache und Zusammenarbeit mit der biologischen Station auch erst zu diesem Zeitpunkt durchgeführt

Und auch an anderer Stelle enstehen zunehmend Blühstreifen. So informierte die NGZ bereits am 25. April 2020, dass knapp 10% von insgesamt 20 entbehrlichen und eingezogenen Wirtschaftswegen in Rommerskirchen derzeit zu Blühstreifen umgewandelt werden.

Grund genug für die Grünen, sich zusammen mit Thomas Braun von der Biologischen Station Neuss zu treffen und vor Ort zu betrachten, was nach deren Vorgaben so blüht und fliegt. Exemplarisch haben wir uns eine neuere angelegte Blühstreifenfläche angesehen: Geht man von Butzheim über die Feldwege Richtung Bruchrandweg und Golfplatz, könnte es sein, unterhalb des Modellflugplatzes auf ein Feld von Biolandwirt Becker zu treffen.

Thomas Braun erläutert hier das Vorhaben: „Als Ausgleichsmaßnahme wurde vor zwei Jahren ein definiertes Stück als Randstreifen des Ackers umgebrochen, initial eine von der Biostation zusammengestellte Saatmischung ausgebracht und danach die Fläche sich selbst überlassen. Um einer Florenverfälschung entgegen zu wirken, werden bewusst keine ortsfremden Arten oder rote Liste Flora ausgesäht. Und damit nicht in kurzer Zeit die Fläche von Brennessel und Brombeeren dominiert wird, muss man alle zwei bis drei Jahre einmal mähen. Dies beugt auch einer Verbuschung vor, denn nach und nach würden sich Gehölze (z.B. Holunder, Weißdorn und Ahorn) ausbreiten.“

Bauten von Wildbienen

Bauten von Wildbienen in einem Lößgraben

Jetzt im zweiten Sommer ist die Fläche noch nicht besonders artenreich. Wir finden bei unserer Begehung Bienenweide (Phacelia tanacetifolia), Breitblättrige Lichtnelke (Silene latifolia), Purpurrote Taubnessel (Lamium purpureum), Ampfer (Rumex spec.), Ehrenpreis (Veronica spec.), Vogelmiere (Stellaria media), Hirtentäschel (Capsella spec.) sowie Brennessel (Urtica dioica). Im Lößgraben sind an verschiedenen Stellen die typischen Löcher von Wildbienennestbauten zu erkennen.

Die Bienenweide wird von Hubert Sumser (NABU Arbeitskreis Botanik) als leider wenig geeignet beschrieben. Er begründet dies damit, dass deren Blüte nahezu ausschließlich von Honigbienen besucht wird. Für viele Insekten sind Honigbienen aber Nahrungskonkurrenten. Honigbienen sind hingegen keine schutzbedürftige Art, sondern domestizierte Nutztiere. Sie sind mitunter auch wie viele andere Nutztiere auf Hochleistung gezüchtet, und dementsprechend krankheitsanfällig. In Deutschland ist es bis heute verboten, die ursprünglichen Honigbienen zu halten, da der Honigertrag bei Einkreuzung sinken würde.

Blühstreifen

Ein eher unscheinbarer Blühstreifen am Feldrand

Blühstreifen entwickeln sich, wenn Bereiche der Ackerflächen zeitweise oder dauerhaft aus der Nutzung genommen werden. Dies kann für einzelne Jahre der Fall sein. Den vollen Wert für den Artenschutz erreichen sie jedoch erst, wenn sie über 5 Jahre oder dauerhaft aus der Bewirtschaftung genommen werden. Eine Aussaat ist nicht zwingend notwendig. So können sich lokale, standorttypische Samen durchsetzen, die sich bereits im Boden befinden oder über kurze Wege herangetragen werden. Wenn man sich jedoch für eine Saatmischung entscheidet, dann sollten ausschließlich regionale Angebote eingestzt werden. Vor allem auf exotische Flora sollte verzichtet werden.

Insbesondere der Rückgang der Insektenbiomasse um 75%, welcher in der Krefelder Studie publiziert wurde, gibt Anlass zur Sorge. Über 30 % der Wildpflanzen in Deutschland sind bestandsgefährdet. Wenn wir der Kulturlandschaft den Raum und die Zeit geben, besteht eine große Wahrscheinlichkeit der natürlichen Regeneration. Die Landwirtschaftskammer gibt an, dass Blühstreifen insbesondere Insekten ein vielfältiges Blütenangebot bieten und sich darunter insbesondere viele Bestäuber sowie landwirtschaftliche Nützlinge befinden, die einen Beitrag zur biologischen Schädlingsbekämpfung leisten. Auch für andere Tiere stellen Blühstreifen wichtige Nahrungs-, Fortpflanzungs- und Rückzugsbiotope dar.

Breitblättrige Lichtnelke

Breitblättrige Lichtnelke (Silene latifolia)

Darüber hinaus bereichern sie das Landschaftsbild und können aufgrund ihrer linienhaften Struktur zur Vernetzung von Biotopen beitragen. Die ökologischen Effekte erhöhen sich in der Regel mit zunehmender Standzeit und Streifenbreite. Was der Landwirtschaftkammer aber auch wichtig ist: Durch den Blühaspekt fördern sie vor allem das Image der konventionellen Landwirtschaft in der Öffentlichkeit.
Der Bochumer Botanische Verein ist kritsch bei der Anlage von Blühstreifen. Nur bei ausbleibendem Erfolg hinsichtlich der erwarteten Blütenreichtums wird eine Anreicherung mit Regiosaatgut empfohlen. Unter den Pflanzen sollten beispielsweise Schafgarbe, Kriechender Günsel, Wiesen-Kerbel, Gänseblümchen oder Acker-Hornkraut sein.

Viele im Handel und von Vermehrern angebotene Blühwiesenmischungen sind häufig nur hübsch anzusehen, aber sie erfüllen nicht den Zweck des Artenschutzes. Um richtig gefördert zu werden, benötigt die heimische Flora und Fauna in erster Linie lokale Arten. Nicht zuletzt ist es wichtig, auch abgestorbene Pflanzen stehen zu lassen. Es ist begrüßenswert, dass sich die Gemeinde Rommerskirchen – wenn auch zögerlich – in Richtung Naturschutz bewegt. Bezüglich der Blühstreifen und entschotterten Gemeindeflächen wird aber nur zu häufig allein für die Honigbiene optimiert. Trotz Bienentag am 20. Mai und bei allem Engagement dürfen wir nicht vergessen: Die kultivierte Honigbiene ist im Wesentlichen ein Nutztier und zudem im Gegensatz zu vielen Wildbienen und anderen Insekten nicht bedroht.

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